Es ist schlichtweg Nonsens, Rauch ist in einer Raucherkneipe genauso eine vorher abzuschätzende Gefahr für die Gesundheit, wie der Lärm eines Flugzeuges oder die Belastung in einen Bergwerk.
Richtig. Der Staat eine Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit des Menschen zu erfüllen gemäß Grundgesetz. Für Deine beiden Beispiele "Lärm eines Flugzeugs" und "Belastung im Bergwerk" kommt er dieser Pflicht durch formalgesetzliche bzw. bereichsspezifische Regelungen bereits seit Jahren nach. Beim "Rauch in einer Raucherkneipe" tat er dies bislang kaum.
Um es vorweg klarzustellen: ich bin kein militanter Nichtraucher und ergreife auch nicht Partei für eine der beiden Seite. Ich bin weder Verfechter der Überregulierungen, noch heiße ich es für gut, wenn der Staat seinen Pflichten als Garant gesetzlicher Regulierungen nur unzureichend nachkommt. Allerdings ist mir hier die Diskussion ein wenig zu undifferenziert.
Eine Sache, die hier bisher kaum Erwähnung fand - aber in meinen Augen von herausragender Wichtigkeit ist - ist die Frage der Durchsetzbarkeit.
Wer genau soll denn diese Rauchverbote überwachen? Ich verfolge seit geraumer Zeit mit steigendem Interesse hier in München diese Entwicklung. Das Kreisverwaltungsreferat als zuständige Sicherheitsbehörde unter Blume-Beyerle winkte sehr bald ab, schließlich habe man weder die personellen Voraussetzungen für die Durchsetzung und Verfolgung, noch die erforderlichen Ressourcen für die Endsachbearbeitung solcher Anzeigen. Das Polizeipräsidium machte schon wenige Wochen nach der neuen Gesetzgebung klar, daß man seitens der Polizei sicherlich keine Kneipenstreifen in den Ausgehvierteln Münchens einführen werde - man habe wichtigere Aufgaben zu übernehmen und ferner handele es sich ohnehin um eine sachliche Zuständigkeit der Sicherheitsbehörde.
Vor weitaus größeren Problemen steht man beim Oktoberfest. Wie soll man in einem Zelt mit 6000 Besuchern und mehr den Rauchern Einhalt gebieten? Ist es verhältnismäßig, wegen solchen Ordnungswidrigkeiten ständig mittels unmittelbaren Zwang gegen uneinsichtige 2,0 Promille vorzugehen? Und ist das überhaupt zielführend? Nein. Daher auch die bisherigen Ausnahmeregelungen zur Wiesn-Zeit. Zurück bleibt der schale Beigeschmack, daß hier doch mit zweierlei Maß gemessen wird: die Frage eines Verbots orientiert sich letztlich nach der Hartnäckigkeit bei der Begehung eines Verstoßes. Sowas lässt sich gegenüber Kneipenbesitzern politisch nur schwer verkaufen. Der Freistaat hat sich da in eine Miesere manövriert, die aber bei genauerer Betrachtung zu prognostizieren gewesen wäre.
Auf der anderen Seite darf nicht unerwähnt bleiben, daß - Föderalismus hin oder her - die EU ohnehin bald klare Anweisungen bezüglich des Nichtraucherschutzes ausgegeben hätte. Der Gesetzgeber steht also unter Zugzwang.
Und um den Kreis wieder zu schließen, der Staat hat seine Grundrechtsinhaber zu schützen. Das ist verankert in Art. 2/II S.1 GG - und erhitzt immer wieder viele Gemüter. Man denke diesbezüglich nur mal an die berühmte Gurtanlegepflicht: Ebenfalls ein Ausfluss aus diesem Grundrecht.
Abzuwägen sind im Grunde zwei Schutzbereiche: nämlich das der körperlichen Unversehrtheit gegen die Handlungsfreiheit. Und streng genommen gibt es da nur eine Lösung: Ober sticht Unter. Bitter für die Raucher, aber vermutlich unausweichlich.
Schöne Grüße
Seibrich
Nachtrag:
Hiernochmal die Bitte an alle: Überdenkt eure Gleichnisse bitte vorher genau durch.
Von Dir stammt doch dieser Vergleich zwischen Rauchen und subjektiv schlecht gekleideten Menschen in der Kneipe, oder irre ich mich jetzt?