du kennst dich mit der türkischen Politik nullkommanull aus. Du kennst NUR die Seite durch die deutschen Medien, ich jedoch kenne (wie die meisten Türken) Jahrhunderte von türkischer Geschichte. Es ist nicht so simpel wie es in den Medien hier dargestellt wird.
Die Demonstranten sind eine Minderheit die auf den Strassen zum Teil Randalieren und zerstören. Kein wirkliches Ziel haben ausser der Absetzung der Regierung und sich aus Ideologisch total verschiedenen Gruppen gebildet hat. Darunter auch in Deutschlan verboten Gruppen.
Das erwähnen die Medien nicht... Und wenn du auf Spiegel Online, Zeit Online etc die Berichte über die Türkei verfolgst, dann weisst du sicher, dass Erdogan als Untedrücker der Kurden diffamiert wurde, überall. Nun, genau dieser "Kurdenfeind" hat den Kurden noch nie dagewesene Rechte gebracht und den Terror, der in 30 Jahren knapp 50.000 Tote gefordert hat, beendet. Hast du irgendwo in den Medien mitbekommen, dass er für diesen geschichtlichen Schritt in der Türkei gewürdigt wurde? Nein! Stattdessen wird er derzeit als Diktator abgestempelt. Ganz ehrlich sören, ich verstehe deine Meinung, denn in den Medien hier kriegt man nichts anderes serviert. Die Realität in der Türkei sieht anders aus. Hunderttausende gehen in Frankreich gegen die Homo-Ehe auf die Straße (gibt genügend Artikel darüber), da spricht man von einer Minderheit. Aber bei den 30.000 Demonstranten in der Türkei spricht man vom "Volk", vom "türkischen Frühling"...
Also ich kenne die deutschsprachige Medienlandschaft berufsbedingt recht gut und ich kann dir sagen, dass Erdogan sehr wohl ziemlich viel Zuspruch aus dem Westen für seine Annäherung an die Kurden bekommen hat. Auch als er den Einfluss der Generäle auf die Politik beendet hat, hat er sehr viel Applaus geerntet.
Zu den Demonstranten: Dass 30.000 Menschen auf die Straße gehen und sich tagelang wiederholt mit Tränengas zukleistern lassen, nur um
friedlich zu fordern, dass Erdogan zurücktritt, ist ja doch wohl ein Beweis, dass was im Argen ist, sonst nimmt das niemand auf sich. Zudem hat ein türkisches Institut letzte Woche oder so veröffentlicht, dass etwa 25 Prozent der Menschen in der Türkei mit den Demonstranten sympathisieren.
Dass die Bewegung sehr heterogen ist, ist ja wohl klar. Anders geht es ja auch nicht, wenn es sich um eine so große Ansammlung handelt. Daraus jetzt abzuleiten, dass die Forderungen der Demonstranten irrelevant seien ist absurd.
Die Forderung nach dem Rücktritt Erdogans kam zudem auch erst wirklich auf, als die Polizei auf Befehl von oben gewaltsam gegen die Demonstranten vorzugehen begann. Das ist nämlich der Grund, wieso Erdogan international kritisiert wird: Weil er mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorgeht. Dieses Verhalten ist einer Demokratie nämlich unwürdig, ebenso wie die Tatsache, dass Erdogan öffentlich droht, mit der Armee gegen unbewaffnete Demonstranten vorzugehen. Das klingt nun wirklich eher nach der alten Militärdiktatur und nicht nach einem demokratischen Staat.
Vergleich das doch mal mit den Protesten in Frankreich: Etliche Tausende demonstrierten gegen die Homo-Ehe und die Polizei ließ sie, ohne Gewalt anzuwenden (die rechtsrechten Chaoten, die randaliert haben, wurden festgenommen). So gehört sich das in einer Demokratie.
Jetzt aber mal die Umkehrfrage an dich: Wie gut kennst du dich denn in der aktuellen türkischen Politik und Gesellschaft aus?
Türkischer Abstammung sein, türkische Geschichte kennen, TRT gucken und Verschwörungsblogs lesen reicht nämlich nicht aus, um wirklich Bescheid zu wissen. Ich hab im Studium mit einigen Austausch-Studenten aus der Türkei (natürlich hauptsächlich aus Istanbul) zu tun gehabt, die sich aufgeregt haben, dass die türkischstämmigen Österreicher, die sich zum Teil als patriotische Türken sehen, sehr oft absolut keine Ahnung von den tatsächlichen aktuellen Zuständen haben und lieber ein nebulöses Zerrbild der Türkei im Kopf haben.
Das soll jetzt keine Anschuldigung an dich sein, aber ich würde gerne wissen, woher du deine Informationen beziehst. Von Facebook-Postings, die weitergesendet werden? Von Freunden, die wen kennen, dessen Cousin einen Bekannten hat, der vor Ort ist? Von Youtube-Videos und Blogs? Weil das sind alles genau die subjektiven Eindrücke, die du an den Demonstranten kritisierst.