Wilma said:
an den nüchternen ökonomischen fakten/analysen bzgl. gründe für das entstehen der eurokrise sowie deren katastrophales handling bis heute hat sich übrigens nix geändert.
grundlage war und ist primär die nichteinhaltung des inflationsziels von 1,9%. brd u.a. liegen/lagen seit einführung des € bis heute darunter und andere wie vor allem die südstaaten darüber. unsereins lebte (zb dank agenda 2010) unter seinen verhältnissen, griechenland lebte darüber. das hat/hatte u.a. zur folge, dass wir kapital und arbeitslosigkeit exportiert haben und demzufolge zb die griechen sich ggü. uns verschuldet haben. wichtig ist noch zu beachten, dass die einzelnen volkswirtschaften sher unterschiedlich groß sind. das bedeutet: wenn deutschland 0,5% unterm inflationsziel liegt, macht das wesentlich mehr aus als griechenland 5% darüber.
Richtig ist, dass es seit Einführung des Euros deutlich unterschiedliche Inflationsentwicklungen in den einzelnen Eurostaaten gegeben hat. Im Mittel wurde das Inflationsziel zwar erreicht, aber die "südlichen Länder" lagen deutlich darüber, Deutschland etwas darunter, es gab also eine starke Streuung. Das Ergebnis ist, dass viele Länder heute sehr starke Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen.
Interessant wird es, wenn die Ursachen für diese unterschiedlichen Inflationsentwicklungen in den einzelnen Ländern analysiert werden. Zu nennen wären hier z. B. "kulturelle" Aspekte, denn in den südlichen Ländern war es auch bereits vor Einführung des Euros nicht unüblich, stark zu inflationieren. Man denke z. B. an die vielen radikalen Gewerkschaften, auch in Frankreich, die mit ihren Maximalforderungen für solche Entwicklungen verantwortlich zeichneten. Vor dem Euro konnten sich diese Länder durch Abwertung ihrer Währung dieses Problems entledigen, heute geht das nicht mehr.
Ein anderer sehr wichtiger Grund für die Diskrepanz bei der Inflation liegt im Euro selbst begründet. Denn die Einführung des Euros führte dazu, dass die Zinsen in der Eurozone konvergierten. Das bedeutet, Länder wie Griechenland, Spanien, Portugal oder Malta zahlten plötzlich keine Zinsen im zweistelligen Bereich mehr, sondern konnten sich zu um die 3% auf dem Niveau Deutschlands verschulden - nicht nur der öffentliche, sondern auch der private Sektor. Es kann also überhaupt nicht die Rede davon sein, dass ein freier Markt bzw. Deregulierung die Ursache für die Probleme dieser Länder darstellt, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Durch die Währungunion wurde planwirtschaftlich Kapital von den "nördlichen Ländern" in den Süden transferiert und floss dort in unrentable Verwendungen. Planwirtschaftlich deswegen, weil es hinsichtlich des Risikos für die Anleger keinen Unterschied mehr gab zwischen einer Investition in Griechenland oder in Deutschland (das Risiko einer Investition "im Süden" wurde den Steuerzahlern "im Norden" aufgebürdet). Es wurde implizit davon ausgegangen, dass im Falle einer Staatspleite die EZB bzw. andere Länder (das ist ja letztlich das Gleiche) für die Schulden der anderen Länder einspringen. Die Konstruktion des Eurosystems konnte nicht davon überzeugen, dass im Zweifel der Anleger sein Geld verliert und seine Verluste selber tragen muss.
In diesem Sinne verstehe ich auch nicht dein Argument, wir hätten Kapital und Arbeitslosigkeit exportiert. Denn zunächst einmal haben die niedrigen Zinsen in diesen Ländern ja den Lebensstandard massiv erhöht und die Arbeitslosigkeit reduziert. In Griechenland wurde z. B. der Staatssektor massiv ausgeweitet und die Angestellten / Beamten und Rentner bekamen immer mehr Geld. Die privaten Unternehmen mussten dementsprechend auch Löhne und Gehälter erhöhen, um auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Lohnerhöhungen lagen aber deutlich über den Produktivitätszuwächsen und das Land verlor an Wettbewerbsfähigkeit. Vor dem Euro hatte Griechenland z. B. eine wettbewerbsfähige Textilindustrie, heute ist davon fast nichts mehr übrig, weil sie zu teuer gewonnen sind. Die Griechen haben über 10 Jahre hinweg einen Konsumrausch erlebt, der es ihnen nicht nur ermöglicht hat über ihre Verhältnisse zu leben (Leistungsbilanzdefizite), sondern der auch ihre industriellen Strukturen zerstört hat.
Deutschland hingegen kam mit Einführung des Euros in die Flaute und die Regierung Schröder wurde mit einer Massenarbeitslosigkeit konfrontiert. Die massiven Kapitalabflüsse könnten eine Erklärung dafür sein (Rückgang der Investitionen im Inland).
Wilma said:
um griechenland nun zu retten wurde zur bedienung der gläubiger (! der griechische staat geschweige denn seine menschen sahen von der kohle bis dato nahezu nix!) etliche milliarden von der ezb, dem iwf und der eu als kredit oder bürgschaft gereicht.
Meinem Kenntnisstand nach ist diese Aussage nicht ganz korrekt. Das ifo Institut ist zu dem Ergebnis gekommen, dass lediglich 1/3 für Rückzahlungsverpflichtungen verwendet wurde. Die anderen zwei Drittel wurden verwendet, um Kapital außer Landes zu schaffen (Target-Salden) oder unters Kopfkissen zu packen sowie um das Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren (um auch nach September 2008, als kein privater Anleger mehr bereit war dem Land Geld zu leihen, den kennengelernten Lebensstandard nicht komplett aufgeben zu müssen).